Die Wogen der Atmung

Und dann dieses Bild beim prāṇāyāma.

Es ist mit der Atmung, mit ihrem Anschwellen und Abschwellen so: Du trittst auch nicht an den Ozean und erwartest, den Wellengang zu kontrollieren, zu beeinflussen die Brise, die die Wellen begleitet, dieses Anschwellen in deiner Brust beim Herannahen der Wogen in der Brise, rhythmisch, ein stärker werden und nachlassen. Und auch die Untersströmungen gibt es, die von der Küste zurückrollen, und die zu spüren sind, wenn man aufmerksam ist. Wie dieses Wogen an die Küste deines Körpers heranbrandet und zurückkehrt in die unendliche Weite. All DAS! All das versuchst du auch nicht zu kontrollieren. Warum also den Atem? Warum, den Atem be-herr-schen wollen? Tauche ein in diese Strömung, vertraue dich der an- und abschwellenden Bewegung an, werde zu einem virtuosen Schwimmer darin. Vertraue dich diesem Mysterium an!

Foto: Osman



Mio-Mond

Wenn ich in den Morgenhimmel mit dem Mond schaue, sehe ich Schönheit!
Doch, ist sie am Himmel, in dem Licht, ist sie in mir? Oder in der Beziehung zwischen alledem?
Śrikrṣnārjunasamvāde.

Foto: Osman 24.06.2022, 4:40



oṃ śāntiḥ – möge Frieden sein

Seit Wochen werden wir zu Zeugen eines grausamen Vernichtungskrieges. Was tun, wenn das Unfassbare geschieht und die Zerbrechlichkeit von Frieden offenbart, wenn die Verunsicherung wächst und das Entsetzen groß ist? Was hat uns Yoga zu bieten in einer Zeit existentieller Verunsicherungen?

In New York wurde Françoise Gilot nach den grauenvollen Angriffen 2001 bei einem Interview gefragt, wie man angesichts so zerstörerischer Handlungen und der Bedrohung durch Gewalt noch Kunst betreiben kann. Sie antwortete, sie fasse das Leben und die Malerei als Suche nach dem Glück auf. Nach den Terroranschlägen habe sie, als Mensch wie zerschmettert, als Künstlerin eine Woge von Energie in sich gespürt, ein intensives Gefühl für den Sinn ihrer Arbeit, bei denen zu sein, die schöpferisch sind und die Werte des Lebens immer neu beschwören und nicht bei denen, die zerstören.

Wenn uns die Wirklichkeit in eine Situation stellt, in der existentielle Grundlagen ins Wanken geraten, gibt uns die Verbundenheit mit der Lebensessenz die Kraft, dem Ungewissen und Unbeherrschbaren zu begegnen. So können wir erkennen, wie hier und heute einfühlsam und weise zu handeln ist. Hierbei leisten die Kunst und die Einsichten des Yoga einen unschätzbaren Beitrag. Wenn wir das Leben in der Tiefe verstehen, können wir weise Entscheidungen treffen, was unser Beitrag sein kann für den Frieden in uns und in der Welt.

oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ

Foto: privat



Das offene Herz

Krishnamurti sagte einmal, „in dem Raum, den Gedanken um sich herum schaffen, gibt es keine Liebe“. Standpunkte ziehen Grenzen und erschaffen ein „Hier-Ich-Dort-Du“. Haltungen und Argumente entfernen uns voneinander. Verstehen entfaltet sich aus der unvoreingenommenen, selbstlos fließenden Liebe, die die Ausgrenzung überwindet und den „anderen“ von innen erkennt. Erst ein offenes Herz verbindet uns miteinander. Dies gilt es zu kultivieren über alles Trennende hinweg.

„Hṛdaye citta-saṃvit – Im Herzen wird der Geist wissend“, sagt Patañjali im Yoga Sūtra 3.34.

Zu einer Erkenntnis kommen alle mystisch, spirituellen Traditionen: „Alles ist mit allem verbunden“. In diese Erfahrung münden sie ein, wie alle Flüsse in den wogenden, offenen, Ozean – grenzenlos, zeitlos.

Angst, Verunsicherung, Wut und das Festhalten am Vergänglichen führen in andere Richtungen; weg von diesem Ozean, in die tiefen, engen Kluften. Diese Eigenschaften fordern seit Jahrtausenden unzählige Menschenleben, indem sie die Menschen gegeneinander aufbringen. Es gibt nur einen Impfstoff dagegen. Alle spirituellen Traditionen sprechen von der Herstellung dieses Heilmittels im Menschen selbst. Aus Erfahrung kennen sie dessen Zusammensetzung:

Es ist die gelebte, selbstlose Liebe.

Foto: privat



Das Heilsame sehen – OM bhadraṁ

OM – Mögen unsere Ohren das Heilsame hören Mögen unsere Augen das Heilsame sehen Mögen wir, die wir uns der spirituellen Suche gewidmet haben, in Leib und Seele fest gefügt, mit Freude diesem ganzen Leben dienen, das uns vom göttlichen Sein gegeben ist – OM Frieden Frieden Frieden

OM bhadraṁ karṇebhiḥ śṛṇuyāma devāḥ bhadraṃ paśyemākṣabhir-yajatrāḥ sthirair-aṅgais-tuṣṭuvāṃsas-tanūbhiḥ vyaśema devahitaṃ yadāyuḥ – OM śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ

Praśna Upaniṣad – Anrufung

Foto: privat